Bart de Ligt

1883 – 1938, Freidenker, Sozio-Anarchist, Holländer

Bart de Ligt. Quelle: Humanist Archives Utrecht Copyright: Humanist Archives Utrecht
Bart de Ligt. Quelle: Humanist Archives Utrecht Copyright: Humanist Archives Utrecht

„Im Namen von Jesus Christus, im Namen von Marx, im Namen von Bakunin, im Namen von Kropotkin, im Namen von Tolstoi und im Namen von Groenendaal rufe ich euch auf zu verweigern, Kasernen und Gefängnisse zu bauen; zu verweigern, Kriegsmaterial anzufertigen; zu verweigern, in den Militärdienst zu treten; und ich rufe euch auf, aus Protest gegen das Gefangenhalten von Groenendaal in den Generalstreik zu treten.“
(aus Bart de Ligts Rede auf der Versammlung am 26. Juni 1921)

Kurzer Überblick über sein Leben

Bereits als Schüler von Leo Tolstoj beeinflusst, wurde er 1910-16 christlich-sozialistischer Pfarrer, prangerte die Mitschuld der Kirchen an Imperialismus und Krieg an und setzte sich für Gewissensfreiheit und Kriegsdienstverweigerung ein. Ab 1916 wurde er Anarchist, wandte sich vom Christentum ab, gründete mehrere sozialistische, anarchistische bzw. antimilitaristische Vereine (z.B. War Resisters International) mit, veröffentlichte viele Aufsätze und gab Zeitschriften heraus. 1921 unterstützte er politisch den Kriegsdienstverweigerer Herman Groenendaal, der sich gegen die Inhaftierung im Hungerstreik befand. Dies trug dazu bei, dass 1923 in Holland das Recht auf Kriegsdienstverweigerung gesetzlich anerkannt wurde. Mehrmals im Gefängnis. Er korrespondierte viel, u.a. mit Albert Einstein, Mohands K. Gandhi und Aldous Huxley, entwickelte in grundlegenden Schriften das Konzept von gewaltfreiem Widerstand gegen Krieg bis hin zum Entwurf einer Sozialen Verteidigung der Niederlande und einer „Wissenschaft vom Frieden“, wobei er alle Disziplinen der Geistes- und Sozialwissenschaften einbezog.

Lesetipps

Bartolf, Christian (Hrsg. 2000):
Der Atem meines Lebens. Der Dialog von Mahatma Gandhi (Indien) und Bart de Ligt (Holland) über Krieg und Frieden. Berlin: Selbstverlag Gandhi-Informations-Zentrum
Boétie, Etienne de La (1991):
Knechtschaft. Neuausgabe der Übersetzung von Gustav Landauer von „Discours de la servitude volontaire“ Münster, Ulm: Klemm & Oelschläger

 


Mehr über Bart de Ligt

„Im Namen von Jesus Christus, im Namen von Marx, im Namen von Bakunin, im Namen von Kropotkin, im Namen von Tolstoi und im Namen von Groenendaal rufe ich euch auf zu verweigern, Kasernen und Gefängnisse zu bauen; zu verweigern, Kriegsmaterial anzufertigen; zu verweigern, in den Militärdienst zu treten; und ich rufe euch auf, aus Protest gegen das Gefangenhalten von Groenendaal in den Generalstreik zu treten.“ (aus Bart de Ligts Rede auf der Versammlung am 26. Juni 1921)

Lebensdaten

(nach einer Vorlage von Antje Conrad)

1883 geboren am 17. Juli in Schalkwijk (Nähe Utrecht/ Niederlande) Vater: orthodoxer calvinistischer Pfarrer; Mutter: religiös, jedoch nicht dogmatisch;
als Schüler beeindruckt von Tolstoj und Ruskin

1903-1910: Theologiestudium in Utrecht, davon enttäuscht liest er Kant, Fichte, Schelling, Hegel; schreibt für studentische Zeitschriften; wird christlicher Sozialist

1910-1916: Pfarrer

1910 Beitritt zur Partei „Bond van Christen-Socialisten“ (1907 gegr.)

1914 prangert in Manifest Mitschuld der Kirchen am Imperialismus an; gegen militärische Mobilisierung (Niederlande im 1. Weltkriegs neutral)

1915 wegen Kampagne für Gewissensfreiheit und Aufforderung zu Verweigerung aller Mitarbeit an Krieg und Kriegsvorbereitung 2 Wochen Gefängnis; liest Proudhon, Kropotkin, Guyau (Freidenker, Anarchisten)

1916 tritt aus der Kirche aus

1918 heiratet Catherine Lydia van Rossem (Witwe, bringt Tochter mit in die Ehe; ein Sohn mit ihr), die ihn in den folgenden Jahren stark unterstützt

1919 nennt sich nicht mehr Christ, Austritt aus dem „Bond van Christen Sozialisten“

1919 Mitbegründer des „Bundes revolutionär-sozialistischer Intellektueller“; Redakteur von dessen Zeitschrift „De Nieuwe Amsterdammer“

1921 Mitbegründer des Internationalen Anti-Militaristischen Bureaus; Herausgeber der Zeitschrift „De Wapens Neder“; Mitbegründer der War Resisters’ International

1921 wegen öffentlicher Unterstützung des sich im Hungerstreik befindenden Kriegsdienstverweigerers Herman Groenendaal inhaftiert (26 Tage)

1921 erste antimilitaristische Schrift: „Der Antimilitarismus und seine Kampfweisen“ Umzug in die Schweiz (Nähe Genf), weiterhin Kontakt zu antimilitaristischer Bewegung;

1923 Recht auf Kriegsdienstverweigerung wird in Holland gesetzlich anerkannt; de Ligt pflegt weite Korrespondenz (auch mit Einstein, Gandhi und Huxley)

1928 Herausgeber der Zeitschrift „Bevrijding“ („Befreiung“) des Bundes religiöser Anarcho-Kommunisten (Bond van Religieuze Anarcho-Communisten/BRAC, seit 1932 Bond van Anarcho-Socialisten/BAS)

1931/1933 erscheint zweibändiges Werk „Vrede als Daad“ („Frieden als Tat“), 1934 französisch „La Paix Créatrice“, in dem er zeigt, dass es zu allen Zeiten und in allen Kulturen gewaltlosen Widerstand gegen Krieg, Gewalt, Unterdrückung gab

1934 auf Treffen der WRI (Internationale der Kriegsdienstverweigerer/War Resisters` International) Vorstellung seines „Streitplans gegen Krieg und Kriegsvorbereitung“

1936 Buch über Erasmus von Rotterdam; Gründung des „Rassemblement International contre la Guerre et le Militarisme“ (RIGM); erster Kongress in Paris 1937

1937 Buch „The Conquest of Violence“

1938 Gründung der „Friedensakademie“ in Paris, Ausarbeitungen zu Friedenswissenschaft

1938 stirbt am 3. September auf einer Bahnfahrt

1939 erscheint „Einführung zur Wissenschaft vom Frieden“ mit systematischen Überlegungen zur kritischen interdisziplinären Friedensforschung (incl. Philosophie, Soziologie, Psychologie, Pädagogik und Geschichte)

Lesetipps

de Ligt, Bart (1932):

Die Geistesarbeiter und der Krieg. In: Die Intelligenz. Deutsche Geistesarbeiter-Zeitung. Offizielles Organ der Gewerkschaft Deutscher Geistesarbeiter, 9. Jg. (Jan. 1932), S. 4-7.

de Ligt, Bart (1935):

Streitplan gegen Krieg und Kriegsvorbereitung. In: Pressedienst hg. von der Internationalen Antimilitaristischen Kommission, Jg. 11. Februar 1935

de Ligt, Bart (1937, 1989):

The Conquest of Violence. An Essay on War and Revolution. London: Pluto Press.

de Ligt, Bart (1934):

La Paix créatrice. Histoire des principes et des tactiques de l’action directe contre la guerre. Paris: Marcel Rivière

Dungen, Peter van den;

Noordegraaf, Herman; Robben, Wim (Hrsg. 1990): Bart de Ligt (1883-1938) Peace Activist and Peace Researcher Zwolle: Bart de Ligt-Fonds; Stichting Voorlichting Aktieve Geweldloosheid. [auszugsweise deutsche Übersetzung davon (de Ligt Biografie bis etwa 1930) in: Bartolf S. 99-106 ]

Jochheim, Gernot (1977):

Antimilitaristische Aktionstheorie, Soziale Revolution und Soziale Verteidigung. Zur Entwicklung der Gewaltfreiheitstheorie in der europäischen antimilitaristischen und sozialistischen Bewegung 1890 – 1940, unter besonderer Berücksichtigung der Niederlande Frankfurt am Main / Assen/Amsterdam: Haag und Herchen / Van Gorcum.

Jochheim, Gernot (1987):

Bart de Ligt (1883 – 1938). Gewaltlosigkeit und antimilitaristische Aktion. Aus: Rajewsky, Christiane; Riesenberger, Dieter (Hrsg.): Wider den Krieg. Große Pazifisten von Immanuel Kant bis Heinrich Böll. München: C.H.Beck, S. 103-110.

Kropotkin, Peter (1920, 1902):

Gegenseitige Hilfe in der Entwicklung der Tier- und Menschenwelt. Leipzig: Theod. Thomas.

Landauer, Gustav (1923):

Die Revolution. Frankfurt am Main: Literarische Anstalt Rütten & Loening

Lehning, Arthur (1987):

Kleine Geschichte des Anarchismus. In: Graswurzelrevolution, Jg. 1987, H. 117/118, S. 63-69.

Lehning, Arthur (1988):

Skizze über Bart de Ligt zum 50. Todestag von Bart de Ligt. Stuttgart: Graswurzelkalender

Noordegraaf, Herman (1983):

Antropologie bij Bart de Ligt. Schiedam. Noordegraaf, Herman; Robben, Wim (1988): Drie generaties spreken over Bart de Ligt (1883-1938) als Vredes-aktivist, chnsten-socialist, anarchist, vrijdenker en humanist. Een herdenkingsboek Zwollle: Stichting Voorlichting Aktieve Geweldloosheid.

Noordegraaf, Herman (1998):

The Anarchopacifism of Bart de Ligt Aus: Brock, Peter; Socknat, Thomas (Hrsg.): Challenge to Mars. Essays on Pacifism from 1918 10 1945. Toronto Buffalo London (University of Toronto Press). S. 89-100.

Noordegraaf, Herman (1990):

Bart de Ligt (1883-1938) Peace Activist and Peace Researcher. in: Dungen

Robben, Wim (1982):

De Nederlandse Vredes-Aktivist Bart de Ligt (1883-1938). Zijn leven en denken tot 1919. Zwolle: Stichting Voorlichting Aktieve Geveldloosheid.

Sharp, Gene (1990):

Bart de Ligt (1883-1938). An Appreciation and Assessment of his „The Conquest of Violence: An Essay on War and Revolution“ Aus: Dungen, Peter van den; Noordegraaf, Herman; Robben, Wim (Hrsg.): Bart de Ligt (1883-1938) Peace Activist and Peace Researcher. Zwolle: Bart de Ligt-Fonds; Stichting Voorlichting Aktieve Geweldloosheid, S. 4-9.