Abdul Ghaffar Khan
1890 – 1988, Moslem, Paschtune
(die Heimatregion war unter britischer Herrschaft „Frontier“, d. h. Grenz-Provinz, seit 1947 gehört sie zu Pakistan).
„Ich gebe euch jetzt eine Waffe, der weder die Polizei noch die Armee werden widerstehen können. Es ist die Waffe des Propheten, aber sie ist euch nicht bewusst. Jene Waffe ist Geduld und Rechtschaffenheit. Keine Macht der Erde kann gegen sie standhalten.“
Kurzer Überblick über sein Leben
Englische Missionsschule in Peshawar, tiefe muslimische Fömmigkeit, wie der Vater „Khan“ d. h. Ortsfürst, als junger Erwachsener Hinwendung zu Gewaltfreiheit, führte asketisches Leben im Dienst der armen Leute. Gründete Schulen und soziale Einrichtungen, um seinem Volk zu einem besseren Leben zu verhelfen; genannt „Badshah Khan“ (der König der Khans) oder „Frontier Gandhi“. Verehrer, verehrter Freund und Kampfgefährte von Mohandas K. Gandhi[[LINK zu Gandhi auf unserer Seite]]. Er gründete 1929 die weltweit und geschichtlich erste gewaltfreie Truppe „Khudai Kidmatgars“ (=Diener Gottes), die, selbst waffenlos, von Briten immer wieder brutal niedergemacht wurden. Als sie 1930 in Peshawar eingezogen waren, verweigerten allerdings Soldaten des britischen Garwhal-Regiments massenweise den Feuerbefehl auf die Waffenlosen. Für neun Tage konnten diese in Peshawar den Beginn einer eigenen Verwaltung aufbauen. Als neue britische Soldaten sie dann massenhaft umbrachten, wuchs die Zahl der Freiwilligen auf 80 000 an. Ihre große Einsatzbereitschaft brachte in den 1930er Jahren die politische Anerkennung der „Nord-West-Provinz“ voran.
Später setzte sich Khan für Verwaltungs-Selbständigkeit der Paschtunen ein, wurde aber von der pakistanischen Regierung ebenso verfolgt wie von den Briten, so dass er ein Drittel des Lebens im Gefängnis verbringen musste und Jahrzehnte im Exil in Afghanistan.
1987 Bharat Ratna Orden (höchster ziviler Orden in Indien)
Für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.
Lesetipps
Easwaran, Eknath (1999):
Nonviolent Soldier of Islam. Badshah Khan. A man to match his mountains. Tomales, Cali.: Nilgiri Press, 274 S.
Berndt, Hagen (1998):
Gewaltfreiheit in den Weltreligionen. Vision und Wirklichkeit Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus.
Mehr über Abdul Ghaffar Khan
Lebensdaten
1890 geboren in Utmanzai, dem Dorf, wo sein Vater Khan war, nicht weit von Peshawar (heute Pakistan); Grundschule, englische Missionsschule
1906 lehnt es ab, Guide (britische Elitetruppe von Paschtunen und Sikh) zu werden
1909 Entscheidung gegen College in England
1910 gründet seine erste Schule
1912 Heirat
1913 Sohn Ghani wird geboren
1915 Sohn Wali wird geboren
Tod der ersten Frau
1919 zum ersten Mal im Gefängnis
1920 zweite Heirat
Tochter Mehar Taj wird geboren
1922 Sohn Ali wird geboren
1923 Mutter stirbt
1926 Vater stirbt
Tod der zweiten Frau in Jerusalem auf dem Pilgerweg nach Mekka
1928 trifft Mahatma Gandhi und Jawaharlal Nehru.
1929 gründet gewaltfreie Truppe „Khudai Kidmatgars“ (=Diener Gottes) auch „Rothemden“, „redshirts“ genannt, weil sie rote Hemden trugen
1930 Teilnahme der Khudai Kidmatgars an Widerstand gegen britische Kolonialherrschaft, in Peshawar Machtübernahme durch sie für wenige Tage und die Darstellung , daher Berücksichtigung der Region bei Gandhi-Irwin-Pakt für erste Selbstverwaltung
1934 nach Entlassung aus dem Gefängnis Verbot der Rückkehr, lebt daher bei Gandhi in Wardha
1937 Rückkehr nach Utmanzai, Bruder Saheb wird zum Verwalter der Nord-West-Provinz gewählt
1946 wandert durch Bihar, das von Kämpfen zwischen Hindus und Moslems geschüttelt ist, erreicht (teils mit Gandhi zusammen) lokal und regional Beendigung der Massaker. Im Zuge des Übergangs der britischen Kolonie Indien zur Unabhängigkeit in zwei religiös unterschiedene Staaten brechen brutale Kämpfe und Massaker zwischen Hindus und Moslems aus. Gandhi wandert durch überwiegend muslimische Gegenden, in denen Hindus verfolgt werden, und stiftet Frieden, Khan tut es in überwiegend von Hindus bevölkerten Regionen.
Khudai Khidmatgars schützen Minderheiten in Peshawar vor Übergriffen.
1956 Gründung der National Awami People’s Party (erste demokratische Partei Pakistans, lange die einzige Opposition)
1962 Amnesty International wählt ihn aus als „Gefangenen des Jahres“
1964 Exil in Afghanistan
1971 Kehrt aus dem Exil zurück
1988 20. Januar: stirbt in Peshawar
„Ein islamisches Programm der Gewaltfreiheit
Die Kommune von Peshawar fand im Rahmen der Salzrevolution Gandhis 1930 statt. Obwohl Khan ständig Kontakt zu Gandhi hatte, waren die Rothemden doch immer eine eigenständige und vor allem islamische Bewegung. Erst 1938 besuchte Gandhi die damalige Nordwest-Grenzprovinz des Kolonialreiches und fand eine entwickelte gewaltfrei-islamische Bewegung vor. Der Islam kannte weder ein Konzept der Nicht-Gewalt (ahimsa) noch die religiös motivierte Leidensbereitschaft des Hinduismus. Doch der kriegerische Charakter der pathanischen Volksstämme, die sich vor Khan oftmals selbst bekämpften, verwandelte sich in einen entschlossenen Glauben in die Macht des moralischen Zwangs, eine Art „Heiliger Krieg ohne Waffen“. In die Trainingsprogramme der Rothemden wurden Koran-Zitate eingebaut, die den islamischen Friedensbegriff ausmalten: dazu Khan im Gespräch mit einem militanten Muslim:
‚Er kritisierte mich stark und sagte, dass ich den Geist des Islam unterminiere, wenn ich Gewaltfreiheit zu den Pathanen predige. Ich sagte ihm, er wisse nicht, was er sage und dass er das nicht sagen würde, wenn er mit eigenen Augen die wundervolle Transformation gesehen hätte, die die Idee der Gewaltfreiheit inmitten der Pathanen bewirkt hat und ihnen eine neue Vision von nationaler Solidarität gegeben hat. Ich zitierte Absätze und Verse aus dem Koran, um die große Bedeutung aufzuzeigen, die der Islam dem Frieden beimisst. Er ist sein zentraler Kern. Ich zeigte ihm weiterhin, dass die größten Persönlichkeiten in der islamischen Geschichte eher durch ihre Entbehrungen und ihren Verzicht bekannt wurden als durch ihre Brutalität. Die Antwort machte ihn sprachlos.’
Die Rothemden übernahmen das islamische Ziel des Friedens, das der Philosoph Syed A. Ali so formulierte:
‚Um ein richtiges Verständnis der Religion Muhammads zu erreichen, ist es nötig, den wahren Gehalt des Wortes Islam zu erkennen. Salaam (salama) heißt erstens ruhig sein, ruhen, seine Pflicht getan zu haben, mit sich in vollständigem Frieden sein; zweitens sich Gott hinzugeben, mit dem der Frieden gemacht wird. Das Hauptwort, das davon abstammt, heißt Frieden, Geborgenheit, Erlösung. Das Wort bedeutet nicht, wie oft angenommen wird, bedingungslose Unterwerfung unter den Willen Gottes, sondern ganz im Gegenteil das Kämpfen für Gerechtigkeit.’
Abdul Ghaffar Khan wird als eine tolerante Person geschildert, der die MuslimInnen nicht von der Welt absondern wollte, sondern sie zur Zusammenarbeit mit anderen Religionen aufrief. So beteiligten sich die Rothemden an vielen Kampagnen zur Verständigung zwischen MuslimInnen und Hindus, und bei ihnen selbst wirkte eine hinduistische Minderheit mit. Dieser Universalismus Ghaffar Khans wirkte sich positiv auch dahingehend aus, dass die islamische Absonderung der Frauen in islamischen Organisationen (Purdah) bei den Rothemden überwunden wurde. Frauen waren Mitglieder der Organisation und beteiligten sich gleichberechtigt an den Aktionen.“
aus: Die Kommune von Peshawar 1930. Die Rothemden-GandhianerInnen des Abdul Ghaffar Khan. aus: Graswurzelrevolution Nr. 263 (Nov. 2001) ganzer Artikel online
Lesetipps
Abdul Ghaffar Khan Faith is a Battle, D.G. Tendulkar, Bombay, Gandhi Peace Foundation, 1967.
The Frontier Gandhi: His Place in History, M.S. Korejo, Karachi, Oxford University Press, 1993.
Frontier Speaks, Mohammad Yunus, with a Foreword by Pandit Jawaharlal Nehru and a Preface by Khan Abdul Ghaffar Khan, Bombay, Hind Kitabs, 1947.
Khudai Khitmatgar and National Movement: Momentous Speeches of Badsha Khan, Edited by P.S. Ramu, Delhi, S.S. Publishers, 1992.
My Life and Struggle, Autobiography of Badshah Khan as narrated to K.B. Narang. Translated by Helen Bouman. Delhi, Hind Pocket Books, 1969.
Pilgrimage for Peace: Gandhi and Frontier Gandhi Among N.W.F. Pathans, Pyarelal, Ahmedabad, Navajivan Publishing House, 1950.
Thrown to the Wolves: Abdul Ghaffar, Pyarelal, Calcutta, Eastlight Book House, 1966.
The Pathans, Ghani Khan, Lahore, Frontier Post Publications, 1994 [first published 1947].